Moving Cities
Über die Stadt

Danzig

Die Vorreiterin der Inklusionspolitik in Polen.

Wichtigste Erkenntnisse

  • 1

    In Kooperation mit lokalen Behörden gelang es einem engagierten Bürgermeister, entscheidende Impulse von nationaler Bedeutung zu geben.

  • 2

    Das ‘Einwanderungs-Integrationsmodell’ hilft bei der umfassenden Umsetzung der Inklusionspolitik in allen kommunalen Organisationen.

Was ist das Besondere an Danzig?

Vorfahrt für Inklusion und Solidarität: In Sachen Inklusionspolitik ist Danzig Vorreiterin unter den polnischen Städten. Inklusionsfragen stehen bereits seit mehreren Jahren ganz oben auf der politischen Agenda. Die städtischen Behörden, einschließlich des Bürgermeisters, betonten wiederholt die Notwendigkeit, Inklusions-, Solidaritäts- und Antidiskriminierungsmaßnahmen zugunsten der neuen Einwohner:innen von Danzig zu ergreifen.

Wo liegt der Schwerpunkt der lokalen Migrationspolitik?

Eine umfassende Politikgestaltung: Im Jahr 2016 verabschiedete Danzig das ‘Einwanderungs-Integrationsmodell’ mit dem Ziel, die Inklusionspolitik in allen kommunalen Organisationen flächendeckend umzusetzen. Das Modell dient anderen polnischen Kommunen als Best-Practice-Beispiel für die Gestaltung von Inklusionsmaßnahmen.

Was sind die Schlüsselfaktoren?

Ein Bürgermeister bewegt etwas: Einen Großteil des besonderen Engagements der Stadt in Migrationsangelegenheiten stieß der ehemalige Bürgermeister von Danzig, Paweł Adamowicz, an. Im Jahr 2015 zählte er zu den wenigen polnischen Politiker:innen, die sich nachdrücklich für die Rechte von Geflüchteten einsetzten. Auf Initiative des ‘Zentrums zur Unterstützung von Zuwanderern’ aber auch dank des persönlichen Einsatzes von Adamowicz begann Danzig mit der Arbeit am Inklusionsmodell für Migrant:innen, das den Kurs der Inklusionspolitik der Stadt bestimmen sollte.

Politische Arbeit über die lokale Ebene hinaus

Danzig bezog öffentlich Stellung gegen eine restriktive nationale Einwanderungspolitik und setzte sich bei zahlreichen Gelegenheiten für die Rechte von Migrant:innen in Polen ein. Unterstützt durch das Integrationsteam der ‘Union Polnischer Metropolen’ (UPM), wirbt Danzig bei anderen polnischen Städten für einen inklusionsfreundlichen Ansatz. Auch die UPM hatte die Stadt mit ins Leben gerufen. Gemeinsam mit anderen UPM-Mitgliedern bot Danzig den Kindern und Familien des Geflüchtetenlagers Moria auf Lesbos Schutz an.

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Der Stadtreport enthält weitere Informationen über die Migrations- und Integrationspolitik der Stadt sowie ausgewählte lokale Ansätze. Report aus dem Jahr 2021, aktualisiert im Jahr 2023.

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Politischer Kontext - Polen

Wie ist die Migrationspolitik in Polen organisiert?

Polen verfügt über kein gültiges zentrales Dokument, das die Migrationspolitik des Staates formuliert. Im Jahr 2016, ein Jahr nach ihrer Machtübernahme, hob die von der rechtsgerichteten Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) geführte Regierung das politische Dokument ‘Polnische Migrationspolitik - Aktueller Stand und vorgeschlagene Maßnahmen’ auf. Die PiS-Partei begründete diese Entscheidung mit der veränderten Migrationssituation in Polen und Europa (das Land hatte seit 2014 sehr viele Wirtschaftsmigrant:innen aufgenommen). Seit der Aufhebung des Papiers beschloss die Regierung keine neuen politischen Maßnahmen, die offizielle Migrationspolitik blieb im Wesentlichen wie vor dem Regierungswechsel 2015. Allerdings veränderte sich die Asylpolitik in der Praxis.

Was sind die wichtigsten Entwicklungen der letzten Jahre?

Die so genannte ‘Flüchtlingskrise’ betraf Polen nicht direkt, da das Land weder ein Ziel- noch ein Durchgangsland für Geflüchtete aus dem Nahen Osten oder Afrika ist. Im Laufe der Jahre kamen die Asylsuchenden hauptsächlich aus den ehemaligen Republiken der Sowjetunion; häufig aus Tschetschenien, aber auch aus Tadschikistan. Aufgrund des Ukraine-Konflikts beantragten 2014-2015 jährlich 2.300 Ukrainer:innen den Flüchtlingsstatus in Polen.

2015 erklärte sich die polnische Regierung bereit, sowohl das von der Europäischen Kommission im Rahmen der Europäischen Migrationsagenda (EAM) vorgeschlagene Umsiedlungs- als auch das Neuansiedlungsprogramm umzusetzen. Nach den Parlamentswahlen im Herbst 2015 zog sich die neue Regierung jedoch aus dem Programm zurück. Diese Entscheidung beruhte auf Wahlkampfversprechen der Partei. In den folgenden Jahren lehnte die polnische Regierung Vorschläge zur Umsiedlung von Asylbewerber:innen aus Südeuropa in andere Teile Europas ab. Einen weiteren heftigen Einschnitt in der polnischen Migrationspolitik markiert die partielle Schließung der polnischen Ostgrenze für Asylsuchende.

Seit dem Jahr 2016 nehmen polnische Grenzbeamt:innen Anträge auf internationalen Schutz einfach nicht mehr an und verweigern Geflüchteten die Einreise. Klagen gegen diese Politik waren sowohl vor polnischen Gerichten als auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erfolgreich, aber die Grenze wird weiterhin blockiert. Die Zahl der Anträge auf internationalen Schutz ist daher seit 2017 zurückgegangen – sie schrumpfte von über 12.000 im Jahr 2015 auf knapp über 4.000 im Jahr 2019.

Die ‘innere Sicherheit’ steht im Mittelpunkt der öffentlichen Rhetorik der Regierung im Bezug auf Migration. Sowohl die Aussagen einzelner Politiker:innen als auch die Regierungsdokumente zeugen von einer eindeutig anti-islamischen Haltung. Gleichzeitig äußern sich viele Politiker:innen auch verständnisvoll gegenüber Migrant:innen aus der Ukraine oder - in jüngster Zeit - aus Weißrussland. Polen rechtfertigt seine Weigerung, am europäischen Umsiedlungsprogramm teilzunehmen, mit der Aufnahme einer großen Zahl von Ukrainer:innen. Die große Mehrheit der Ukrainer:innen, die seit 2014 nach Polen kam, beantragte jedoch keinen internationalen Schutz. Sie reisten vielmehr auf der Grundlage von Arbeits- oder Ausbildungsdokumenten ein. Auch Weißrussen ersuchten nicht in großem Umfang internationalen Schutz. Im Oktober 2020 hatten nur 264 Weißrussen in Polen Asyl beantragt. Für Weißrussen ist die Einreise nach Polen dank humanitärer Visa möglich (ausgenommen Arbeits-, Studierenden- oder Touristenvisa).

Unfreiwillige Migration

Die polnischen Regierungen vor und nach 2015 ergriffen ähnliche migrationspolitische Maßnahmen, um auf sozioökonomische Trends zu reagieren. Sie zielten darauf ab, die demografischen Veränderungen auszugleichen und den Bedarf des Arbeitsmarktes zu decken. Der polnische Staat betreibt keine aktive Anwerbepolitik: Migrant:innen kommen in erster Linie wegen des Arbeits- und Bildungsangebots nach Polen. Diese Migrationsbewegungen ergeben sich nicht aus geplanten staatlichen Aktivitäten, die ein spezifisches Reservoir an Arbeitskräften anvisieren.

Ausländische Arbeitskräfte stellen derzeit schätzungsweise 5 % der Arbeitskräfte in Polen, die große Mehrheit davon sind Ukrainer:innen. Das polnische Recht begünstigt die zirkuläre Migration von Arbeitnehmer:innen aus Osteuropa: Bürger:innen aus der Ukraine, Russland, Weißrussland, Moldawien, Armenien und Georgien wird der Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert. Die Migrant:innen werden hauptsächlich in ungelernten Berufen beschäftigt. Dies ist einerseits auf die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt zurückzuführen, andererseits aber auch auf gesetzliche Beschränkungen bei der Anerkennung ausländischer Zeugnisse und Qualifikationen.

Wie funktionieren die bestehenden Inklusionsmaßnahmen?

Die Inklusionsaktivitäten des polnischen Staates sind sehr begrenzt, obwohl der Staat temporäre und osteuropäische Migration unterstützt. Gesetzliche Regelungen verpflichten die Behörden, Inklusionshilfe nur für Menschen zu leisten, die internationalen Schutz erhalten haben. Sie können von staatlich finanzierten individuellen Integrationsprogrammen (IIP) profitieren. Die IIP dauern jedoch nur ein Jahr und gelten als wenig effektiv in Bezug auf das Erlernen der polnischen Sprache und den Eintritt in den Arbeitsmarkt.

In Ermangelung einer nationalen Inklusionspolitik führen einige der größten Städte ihre eigenen inklusiven Maßnahmen durch. Migrant:innen erhalten Unterstützung durch zivilgesellschaftliche Organisationen. Die zivilgesellschaftlichen Aktivitäten erzielen jedoch nur unregelmäßige Wirkungen, da es sich häufig um individuelle, lokale Projekte handelt, die sowohl in ihrem Ausmaß als auch zeitlich begrenzt sind.