Moving Cities
Über die Stadt

Swansea

Das ‘Sanctuary Movement’: Pionierarbeit in Wales und im Vereinigten Königreich.

Wichtigste Erkenntnisse

  • 1

    Finanzierte Mitarbeiter:innen sorgten für eine stabile Zusammenarbeit der unterschiedlichen zivilgesellschaftlichen Gruppen und der lokalen Behörden.

  • 2

    Diskursive Positionierung als gastfreundliche Stadt: Die Anerkennung als zweite offizielle ‘City of Sanctuary’ im Vereinigten Königreich im Juni 2010 weckte den Stolz der Bürger:innen.

  • 3

    Die starke kulturelle und nationale walisische Identität korrespondiert mit interkultureller Offenheit.

Was ist einzigartig an Swansea?

Eine Kultur der Gastfreundschaft: Swansea wurde als zweite Stadt des Vereinigten Königreichs zur ‘City of Sanctuary’ ernannt und gilt sowohl im Vereinigten Königreich als auch in Wales als Vorreiterin in puncto Gastfreundschaft. Die von der Zivilgesellschaft getragene lokale ‘Sanctuary’-Bewegung setzt sich seit langem für eine Kultur der Gastlichkeit gegenüber Geflüchteten und Asylbewerber:innen ein.

Was sind die Schlüsselfaktoren?

Zivilgesellschaft mit Veränderungswillen: Swansea erhielt den Status der ersten walisischen ‘City of Sanctuary’ mit der Unterstützung von über hundert lokalen Gruppierungen und dem einstimmigen Beschluss des Stadtrats im Jahr 2010. Die lokale Bewegung trieb auch die Lobbyarbeit bei der walisischen Regierung an und erreichte ihr Ziel, Wales zur ersten ‘Nation of Sanctuary’ der Welt zu erklären. Swansea war die erste ‘City of Sanctuary’ innerhalb des nationalen Netzwerks, die eine unabhängige Finanzierung für bezahlte Mitarbeiter:innen sicherstellen konnte: zwei Vollzeitmitarbeiter:innen und eine Teilzeitmitarbeiter:in über den Zeitraum von drei Jahren. Durch diese Ressourcen konnte die Bewegung einen starken Einfluss auf die Politik der lokalen Behörden ausüben.

Was sind die größten Erfolge?

Die Förderung der sozialen Rechte von Migrant:innen: Swansea setzt sich für die Verbesserung des sozialen Lebens und für die Rechte von Migrant:innen ein: Erst kürzlich half die Stadtverwaltung, die Lebensmittelkarten von Asylbewerber:innen während der COVID-19-Pandemie aufzustocken. Zum ersten Mal verwendete eine Stadt lokale Mittel ergänzend zu Zahlungen des britischen Innenministeriums.

Politische Arbeit über die lokale Ebene hinaus

Der walisische Aktionsplan zur ‘Überwachung und Abmilderung der schlimmsten Auswirkungen der Wohlfahrtsreformen der britischen Regierung’ half Swansea, die restriktive Politik des ‘Hostile Environment’ der britischen Regierung indirekt in Frage zu stellen.

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Kompletten Stadtreport herunterladen

Der Stadtreport enthält weitere Informationen über die Migrations- und Integrationspolitik der Stadt sowie ausgewählte lokale Ansätze. Report aus dem Jahr 2021, aktualisiert im Jahr 2023.

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Politischer Kontext - Vereinigtes Königreich

Wie ist die Migrationspolitik im Vereinigten Königreich organisiert?

Die Migrationspolitik gestaltet sich im Vereinigten Königreich verhältnismäßig komplex, da sie über einen langen Zeitraum entwickelt wurde und mehrere Verwaltungsebenen umfasst. Während die Migrationspolitik zentralisiert organisiert ist, wird die Inklusionspolitik dezentral durchgeführt: Seit dem Localism Act von 2011 legen die lokalen Behörden sowie die dezentralen Verwaltungen in Wales und Schottland die Richtlinien der Inklusion fest. Dagegen ist die Zentralregierung unter der Verantwortung des Innenministers für die Einwanderung zuständig.

Was ist der historische Hintergrund?

Die Migrationspolitik des Vereinigten Königreichs ist auch deshalb so komplex, weil sie in der Vergangenheit als Reaktion auf verschiedene rassistisch motivierte Migrationsbewegungen entwickelt wurde. Der Aliens Act von 1905 empfing Jüd:innen, die vor Pogromen in Russland und Osteuropa flohen. Dagegen konzentrierten sich die Gesetzgebungen der 1960er bis 1970er Jahren darauf, die Beschränkungen für die ‘neue’ Commonwealth-Einwanderung (d.h. nicht-weiße Einwanderung) aus den ehemaligen britischen Kolonien zu verschärfen.

Seit den späten 1980er Jahren zielte die britische Einwanderungspolitik zunehmend auf die Beschränkung der ‘irregulären’ Einwanderung und auf die Verschärfung der Bedingungen für Asylanträge. Die rassistische Einwanderungs- und Asylpolitik der Konservativen setzte sich unter der ‘New Labour’ in den 1990er Jahren fort: Das Einwanderungs- und Asylgesetz von 1999 führte ein Verteilungssystem ein, das die Aufnahme von Asylbewerber:innen auf der Grundlage von ‘Aufnahmezonen’ organisierte. Das Gesetz ersetzte außerdem die Sozialhilfeleistungen durch den zentral organisierten National Asylum Support Service (NASS). Zu einer weit verbreiteten Verarmung von Migrant:innen und Asylbewerber:innen trug das Prinzip ‘no recourse to public funds’ (NRPF) bei, das Personen mit befristetem Aufenthaltstitel betraf. Die restriktive Politik der Labour-Partei setzte sich auch in den 2000er Jahren fort.

Was sind die wichtigsten Entwicklungen der letzten Jahre?

‘Hostile Environment’

Als die Konservativen 2010 erneut an die Macht kamen, war die Migrationspolitik im Vereinigten Königreich bereits extrem eingeschränkt. In das Land zu reisen, dort zu arbeiten oder einen Wohnsitz anzumelden, war mit großen rechtlichen Hürden verbunden. Der Rahmen war also bereits abgesteckt, als die damalige Innenministerin Theresa May 2012 erklärte: „Wir werden illegalen Einwanderern einen wirklich feindseligen Empfang bereiten.“ Diese Aussage fällt unter die Politik des ‘hostile Environment’. Diese migrationsfeindliche Haltung manifestiert sich in einer Reihe von Strafmaßnahmen. Sie zielen auf Migrant:innen ab, die sich vermeintlich nicht „an die Regeln halten“.

Das Einwanderungsgesetz von 2014 führte Vorschriften ein, die sogenannte „Scheinehen“ oder „Scheinlebenspartnerschaften“ verhindern und den Zugang zu wichtigen Dienstleistungen erschwerten. Auch belegt das Gesetz Vermieter:innen von Personen ohne Aufenthaltserlaubnis mit neuen Strafen, was Migrant:innen die Wohnungssuche zusätzlich erschwerte. Das nationalen Gesundheitsdienst führte ebenso neue Kontrollen ein und erhob Gebühren für Personen ohne Zugangsberechtigung. ‘Disqualifizierten Personen’ war es zudem untersagt, ein Bankkonto zu eröffnen, und der Führerschein konnte aufgrund des Einwanderungsstatus entzogen werden.

Das Einwanderungsgesetz von 2016 weitet die Strafen für ‘Schwarzarbeit’ aus und verhinderte den Zugang zu Mietwohnungen, Bankdienstleistungen und Führerscheinen. Außerdem erhielten die Einwanderungsbeamten die Befugnis, zivilrechtliche Sanktionen gegen alle Personen zu verhängen, die an einem als rechtswidrig erachteten Verhalten beteiligt waren. Durch die Politik des ‘hostile Environment’ konnten Personen ohne Bleiberecht daher nicht mehr nur von den Behörden, sondern von allen Bürger:innen überprüft und kontrolliert werden.

Im Sommer 2013 startete das Innenministerium ein umstrittenes Projekt mit dem Codenamen ‘Operation Vaken’. Auf Werbetafeln in sechs Londoner Stadtbezirken verwiesen die Behörden auf das Risiko, dass ‘irreguläre’ Geflüchtete verhaftet werden könnten. Die Tafeln warben mit einer Kontaktnummer für Migrant:innen, die sich entschlossen „nach Hause zu gehen“ um nicht „verhaftet zu werden“. Die Operation wurde von lokalen Gruppen heftig kritisiert, da sie „Spannungen in der Gemeinschaft“ schürten. All diese Entwicklungen gingen mit einer drastischen Sparpolitik einher: Die Haushaltskürzungen der Ausgaben für Sozialleistungen und wichtige öffentliche Dienste führten dazu, dass schutzbedürftige Gemeinschaften und lokale Behörden stark unter Druck gerieten. Die Referendumskampagne für den Austritt aus der EU konzentrierte sich auf rassistisch motivierte und migrationsfeindliche Botschaften, und führte damit letztlich knapp zum ‘Brexit’ aus der EU.

Was haben progressive Kampagnen erreicht?

Wohlfahrtsverbände und Kampagnengruppen übten auch im Vereinigten Königreich erfolgreich politischen Druck aus: So bot das ab 2014 Geflüchteten aus dem Nahen Osten und Nordafrika Schutz. Das VPRS wurde im September 2015 erweitert, um die Neuansiedlung von 20.000 der ‘schutzbedürftigsten’ syrischen Geflüchteten bis 2020 zu ermöglichen. Im Jahr 2016 erließ die Regierung außerdem das ‘Vulnerable Children Resettlement Scheme’ (VRS) für Kinder aus dem Nahen Osten und Nordafrika. Das Dubs-Programm für die Inklusion unbegleiteter Flüchtlingskinder aus anderen EU-Staaten folgte 2016 nach einer langanhaltenden Kampagne der Zivilgesellschaft.

Da die Regierung sich nur begrenzt für die genannten Programme engagierte, folgte scharfe Kritik. Die Politik des Vereinigten Königreichs ist nach wie vor ausgesprochen feindselig, vor allem Menschen gegenüber, die auf nicht genehmigten Routen einreisen. Im Jahr 2020 kam es zu einer Reihe von Todesfällen im Ärmelkanal. In unsicheren Schlauchbooten flohen viele Menschen aus Frankreich, das Kontrollen zuvor verschärft hatte. In der Folge wurden mehrere Menschen, die die Schiffe gesteuerte hatten, wegen Schmuggels angeklagt.

Doch nicht nur Neuankömmlinge oder auf unerlaubten Wegen eingereiste Menschen, trugen die Last der ‘Hostile Environment’-Politik des Vereinigten Königreichs: Die im März 2020 veröffentlichte Untersuchung des ‘Windrush-Skandals’ dokumentiert, wie Hunderte von Commonwealth-Bürger:innen aufgrund der „zutiefst fehlerhaften und diskriminierenden“ Einwanderungspolitik zu Unrecht inhaftiert, deportiert und ihrer Rechte beraubt worden waren. Auch dieses Beispiel zeugt von der historisch tief verwurzelten feindseligen und rassistischen Politik des Vereinigten Königreichs.